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Dolomitenmann 2022
Mit Blick auf den Startplatz sieht man dann den RedBull-Bogen und viele Leute. Nicht nur die Sportler, sondern auch Zuschauer und Offizielle. Der Hubschrauber kommt auch regelmäßig rein. Es war eh ziemlich kalt mit etwa 6° und der Heli hat das noch frischer gemacht.
Ich tippe Mal, daß ich nach Ankunft am Startplatz immer noch eine Stunde Zeit hatte. Sprich: Entspannt zu Werke gehen. Nach kurzer Suche fand ich sowohl meinen Kram, als auch den Beutel “meines” Läufers Patrick. Seinen Versorgungsbeutel hatte ich genauso wie meinen Gleitschirm morgens abgegeben. Dort packte ich dann später auch alle meine Sachen rein, die ich nicht für den Wettkampf brauchte. Wir wurden dann auch mit Tee etc versorgt, so daß die Kälte nicht dramatisch schlimm war. Meine Gleitschirmsachen habe ich dann ausgepackt und rennbereit gemacht. Um nicht zu frieren zog ich mich noch nicht um und wartete noch etwas ab. Dann wurde zum Wiegen gerufen. Der zu fliegende Gleitschirm entspricht einer bestimmten Gewichtsklasse und damit man nicht betrügen kann wurden alle Piloten mit ihrer angelegten Ausrüstung gewogen. Also musste ich mich dann doch langsam parat machen und der Kälte aussetzen. Der Rennleiter erklärte dann den weiteren Ablauf, so daß man genauere Instruktionen bekam wie und wann man sich wo bereitmachen sollte. Puh, dann wurde es echt bitterkalt. Das war eigentlich das Schlimmste.
Dann war es so weit! Der erste Läufer wurde angesagt und kam kurze Zeit später ins Ziel, um seinen Paraglider auf die Strecke zu schicken. Als Chrigel Maurer dann auf die Strecke ging konnte ich gut sehen, wie er das erste Steilstück bewältigt. Meine Güte! Direkt an dem Torbogen startet man in sehr steiles gerölliges Gelände. Das sah in den Videos nicht so steil aus, wie es dann in Wirklichkeit war. Da ich schon von Kindheitsbeinen an immer wieder mit meinen Eltern in den Bergen war hatte ich aber keinen allzu großen Bammel davor und dafür wäre es nun auch etwas spät.
Weitere Läufer kamen ins Ziel und ich wartete geduldig auf meinen Läufer. Ich hatte keine Lust auf den Massenstart um 12 Uhr, bei dem alle restlichen Piloten gleichzeitig auf die Strecke gehen. Da machte ich mir noch etwas Gedanken, da Patrick die Strecke kurz vor dem eigentlichen Rennen mit knapp unter 2h abhaken konnte und das würde also kurz vor 12 entsprechen.
Weiteres zu meiner Psyche: Ich war relativ cool. Eigentlich liebe ich das “Brummen” meines Körpers vor einem Wettkampf und dieses Gefühl kurz bevor es losgeht. Das hatte ich dieses Mal fast gar nicht. Warum auch immer.
Dann war es soweit! Ich musste mich Bereit machen, weil Patrick kurz vor dem Ziel war. Da ging der Puls doch hoch. Nach dem Abklatschen ging es dann sofort im Schweinsgalopp den Steilhang runter. Das klappte auch wie vermutet ziemlich gut. Vielleicht habe ich da ein paar Sekunden liegenlassen, aber etwas “safety first” kann in diesem Gelände nicht schaden. Sodann ging es relativ steil bergauf über den Schotter. Heftig! Schon nach relativ kurzer Zeit war ich ziemlich fertig. Was mich wirklich massiv gestört hat war einerseits, daß das Gurtzeug in meine Kniekehlen baumelt und andererseits, daß meine Leinen entgegen meines Trainings relativ lang aus meinem Rucksackfach hängen. Für Optimierungen nahm ich mir aber keine Zeit, schnappte mir die Leinen mit der einen Hand und versuchte mit der anderen Hand das Gurtzeug einigermaßen hochzuziehen, um besser laufen zu können. Das Gelände wird dann aber noch steiler und ich musste ins Gehen wechseln. In diesem Bereich wurde ich von 2 Athleten überholt. Nach der Steilstelle biegt man halbrechts in einen flacheren Bereich ab und sieht den Startplatz schon vor Augen. Dort wurde ich an zwei Starthelfer verwiesen. Die Profis nutzen die Hilfe der Starthelfer nur wenig, wenn ich den Dokus glauben darf. Bei mir war es… grandios! Meine Technik sah vor, daß ich mich nach vorne bücke, zwei Karabiner löse (die wenigstens etwas das Gurtzeug hoch halten sollen) und dann nach oben hinten greife, um meinen verpackten Schirm aus dem Gurtzeugfach zu nehmen. Das änderte sich dramatisch, weil ich zwei kompetente Starthelfer hatte. Im Wettkampfmodus machte ich die Vorneige, löste die beiden Karabiner und spürte schon Bewegung an meinem Rücken, als ich den Kopf hob lag der Schirm schon ausgebreitet und startbereit vor mir. Geil!
Eine der Sachen, die ich mir immer wieder vorgesagt hatte, stand nun an: “Lass Dir Zeit beim Starten!” Wenn man sich die Doku angeschaut hat, weiß man warum. Einige Piloten sind dermaßen on fire, daß sie den Start verhauen und dann wirklich viel Zeit verlieren. Ich habe zwar bei meinem Start den Fehler gemacht, daß ich die Bremsen verdrehte, aber bei meinem Schirm weiß ich, daß er auch so relativ gutmütig zu starten ist. Also lief ich den Hang runter, startete und sortierte dann erst meine Hände nebst Bremsen. Ich war in der Luft! Ohne größere Probleme! Erstes Ziel erreicht! Yiiiihaaaa!
Man muß dann einen leichten Linksbogen durchs Tal fliegen und kann dahinter den ersten Landepunkt schon sehen. Was nun folgte tat mir wirklich in der Sportlerseele weh. Mein eigener Gleitschirm ist kein kleiner Flitzer, was aber von den allermeisten Sportlern genutzt wurde. So wurde ich von zig Gleitschirmen überholt, ohne dagegen irgendetwas tun zu können. Am Gurtzeug hat man einen sogenannten Beschleuniger für die Füße. Diesen hatte ich eigentlich fast während des ganzen Flugs durchgetreten, aber es war leider nicht zielführend. So kam ich dann auch deutlich über dem Landeplatz an und brauchte wertvolle Minuten, um die Höhe abzubauen und sauber einzulanden. Die Landung war super. Da hatte sich das Training am Vortag auch bezahlt gemacht. Den Schirm rafft man dann zusammen und trägt ihn in der Hand zum nächsten Startplatz. Auch hier zeigte sich ein großer Unterschied zwischen den Zwergschirmen und meinem großen Segel. Egal, weiter!
Im Landebereich halten sich viele Zuschauer auf, die mich anfeuerten und den Hügel hochpeitschten. Es geht aber sofort steil bergauf und das war echt hart! Trainingsrückstand? Ja, ich denke schon. Ich kann einen guten Teil meiner finalen Zeit auf die Ausrüstung schieben, aber hier war ich echt am Limit meiner Leistungsfähigkeit angelangt. Dolomitenmann… was hab ich mir hier angetan?! Aber sowas liebe ich ja auch! Demnach: GO GO GO! Tatsächlich konnte mich bis fast zum Start kein anderer Pilot überholen. Die letzten etwa 200m bis zum finalen Start muss man eine Skipiste hochlaufen. Holla die Waldfee! Ich kannte das Stück natürlich vom Vortag, aber mit dem Schirm auf dem Rücken und schon Strecke in den Beinen war es härter als gedacht. Sehr cool war ein Zuschauer, der mit mir das letzte Stück hochlief und mich tatsächlich anschrie. Hammer! Am Start dann erneut: Ein Starthelfer legt meinen Schirm aus, während ich meine Bremsen sortiere. Zeitgleich fertig. Schirm aufziehen, diesmal passt alles: GO! Von diesem Start an fliege ich ziemlich genau geradeaus. Um Höhe abzubauen muss ich aber die “Ohren anlegen” (so heißt eine Technik, um die Fläche des Schirms zu verkleinern und es sieht tatsächlich so aus, als würde man die Ohren anlegen) und das macht mich wieder langsamer als ich eh schon bin. Leider wurde ich auch hier wieder von ein paar anderen Piloten überholt. Mein Landeanflug mit Einschätzung der Höhe und dem Ziel möglichst dicht am Ziel zu landen war aber erneut wirklich passgenau. Ab da lief ich dann noch etwa 70m ins Ziel und war angekommen. Finisher!!! Vorher natürlich abklatschen des Bikers. Ich konnte es noch gar nicht fassen. Erst Mal sein Zeug aus dem Zielbereich bringen und den Schirm parat legen. Da war ich dann doch sehr emotional. Hab ein paar Tränchen abgedrückt, Gänsehautmoment genossen. Freude! Stolz!
Ingo und Antje, die Beiden aus meinem Club, kamen dann zügig vorbei, beglückwünschten mich und ich lieferte den Bericht ab. Danke Euch!
Mein Bergfreund sammelte mich dann etwas später mit dem Auto ein. Danke auch Dir! Auch für die ganze Zeit, die Deinem Urlaub durch meinen Wettkampf entzogen wurde.
Leider bekam ich vom Rest des Wettkampfs genausowenig mit wie vom Anfang des Wettkampfs.
Abends waren wir mit meinem Team, einem weiteren Team und einem unserer Sponsoren lecker essen und danach wurde bis in die Nacht hinein gefeiert. Eigentlich bin ich nicht so der Partytyp, aber hier war es glorreich!
Werde ich nächstes Jahr mit anderer Ausrüstung und mehr Erfahrung wieder teilnehmen?!? Meine Planung läuft… 😉